„Augen auf bei der Partnerwahl” : Der AllBright Frühjahrsbericht 2025 ist da.

Augen auf bei der Partnerwahl: Anwaltskanzleien verzichten auf weibliche Exzellenz

Die großen Anwaltskanzleien beraten und vertreten Konzerne bei bedeutenden Transaktionen, sie spielen eine wichtige Rolle für den Unternehmenserfolg. Ihre hohen Honorare rechtfertigen sie mit Exzellenz und Verfügbarkeit. Bei der Auswahl ihres Top-Personals steht die Exzellenz allerdings nicht an erster Stelle: Obwohl ebenso viele ehrgeizige Frauen wie Männer mit Prädikatsexamen in den 20 größten Kanzleien in Deutschland starten, werden nur 16 Prozent Frauen als Partnerinnen berufen. In den Vorständen der DAX-Unternehmen ist der Frauenanteil mit 26 Prozent trotz vergleichbarer Arbeitsbelastung bereits deutlich höher.

Seit fast 20 Jahren gibt es mehr Frauen als Männer, die das zweite juristische Staatsexamen absolvieren. Als Staatsanwältinnen und Richterinnen finden sie in gleichem Maße wie Männer ihren Weg in juristische Spitzenpositionen. Die Großkanzleien mit ihren sehr männlich dominierten Partnerschaften bilden dazu einen starken Kontrast.

Exzellente Mitarbeitende, die nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen können oder wollen, gehen den Kanzleien zum Teil schon auf den unteren Ebenen verloren, sie finden im öffentlichen Dienst und in den Unternehmen bessere Arbeitsbedingungen und Karrierechancen. Die „Glasklippe“, der Karrieremoment, an dem die Frauen in den Kanzleien schlagartig verschwinden, ist aber die Partnerwahl, bei der bestehende Partnerinnen und Partner neue Kandidatinnen und Kandidaten identifizieren und berufen.

An der Basis der Kanzleien beträgt der Frauenanteil 47 Prozent, auf der höheren Ebene der Counsels und Salary Partner liegt er immerhin noch bei 37 Prozent. Als geeignet für die Partnerschaft erscheinen dann aber nur 16 Prozent Frauen: Strategische Entscheidungen und Profite sind den überwiegend männlichen Partnern vorbehalten. Da es in den Kanzleien kein Kontrollgremium gibt, haben Partnerinnen und Partner uneingeschränkte Entscheidungsmacht, der Besetzungsprozess lässt viel Raum für eine Auswahl nach dem Selbstähnlichkeitsprinzip. In der Folge sind die Partnerschaften der Großkanzleien deutlich homogener als die Vorstände der Unternehmen: der typische Kanzleipartner ist männlich, heißt Christian, ist deutsch ohne Migrationsgeschichte, promoviert und stets verfügbar.

„Die Konzerne mit ihrem oft weiblichen Führungspersonal in den Rechtsabteilungen sind zu Recht zunehmend irritiert über die sehr männlich dominierten Beraterteams der Großkanzleien“, kommentieren Wiebke Ankersen & Christian Berg, die Geschäftsführer der AllBright Stiftung. „In den Kanzleien schaffen es nicht die Personen mit der besten Expertise an die Spitze. Es sind vielmehr die, die den Vorstellungen der sehr männlich geprägten Partnerschaften davon entsprechen, wer partnerfähig ist. Und das sind in erster Linie Männer, die für die Kanzlei möglichst viel Gewinn erwirtschaften und dafür auf ein Privatleben weitgehend verzichten. Wollen die Kanzleien wirklich die Besten, müssen sie sich dringend viel konsequenter um weibliche Exzellenz bemühen. Sie sollten jetzt damit beginnen, sich konkrete Ziele für einen höheren Frauenanteil in den Partnerschaften zu setzen – als starkes positives Signal nach Innen und Außen.“

Marie Zeisler